FOCUS Online: Herr Frodeno, welche Rolle spielt eine gesunde Ernährung gerade für Sie als Extrem-Leistungssportler?
Jan Frodeno: Gute Ernährung ist für mich ein langfristiges Thema. Ich bin jetzt 38 Jahre alt und immer noch vorne dabei. Einen Teil meiner Leistungsfähigkeit schreibe ich der guten Ernährung zu. Klar ist, dass ich mir mittags keinen Schweinbraten reinwerfen kann und am Abend dann denke, dass ich Bestleistung laufen kann.
FOCUS Online: Wann haben Sie sich für eine bewusste Ernährung entschieden?
Frodeno: Das Thema Ernährung hat mich bereits als junger Mensch sehr interessiert. Ich war schon immer jemand, der lebt, um zu essen. Ich habe manchmal eine Extra-Runde gedreht, damit ich mehr essen kann. Das war für mich eine Motivation. Für viele ist Essen eher ein Beiwerk, bei mir war das anders. Am Anfang meiner Karriere habe ich das wenige Geld, das ich hatte, in Ernährung investiert, weil ich gemerkt habe, dass ich mich mit guter Ernährung besser fühle.
FOCUS Online: Was kommt bei Ihnen auf den Tisch?
Frodeno: Früher habe ich viele Nudeln und viele italienische Gerichte gegessen. Natürlich immer frisch zubereitet. Damals habe ich auch noch Fleisch gegessen. Aber schon zu diesem Zeitpunkt habe ich immer darauf geachtet, dass mein Fleisch aus einer artgerechten Haltung kommt, denn ich habe damals schon den Unterschied zwischen Industriefleisch und einem Tier geschmeckt, das wenigstens auf der Weide grasen durfte.
FOCUS Online: Der Fall Clemens Tönnies beunruhigte zuletzt die Gemüter. Wie beurteilen Sie diese Art der Fleischproduktion?
Frodeno: Ich bin in Südafrika aufgewachsen und das Erste, was ich immer gesehen habe, waren riesige Hühnerfarmen mit diesen Legebatterien für die Eier, wo es wirklich absolut widerlich zugeht. Diese Tiere haben mir damals immer schon sehr leidgetan. Deshalb habe ich immer bewusst darauf geachtet, dass die Produkte wenigstens artgerecht produziert werden. Wenn Eier oder Fleisch, dann aus einer Quelle, wo ich weiß, dass das Leben der Tiere ertragbar war.
FOCUS Online: Wer ist mehr gefordert, das Wohl der Tiere zu verbessern – die Politik oder die Verbraucher?
Frodeno: Die Politik setzt meistens immer nur das um, was populär ist. Das sieht man auch am Fall Tönnies. Dass dieser Mann zuletzt auch noch Geld von der Politik gefordert hat, um seine absolut widerliche Maschinerie am Leben zu erhalten, finde ich unmöglich. Ich denke, dass sich die Menschen wieder mehr für das Essen und somit auch das Fleisch interessieren müssen. Das Problem ist, dass wir im Supermarkt nur ein abgepacktes Stück Fleisch kaufen. Aber wir müssen uns alle mehr mit diesem Prozess auseinandersetzen. Ich gehe jetzt schon mit meinen Kindern auf den Markt. Da kann man das Kaninchen noch lebend sehen, bevor es zubereitet wird. Das ist natürlich ein konfrontierender Prozess, der aber wichtig ist. Fleisch essen ist OK. Wenn man sich nur von Gemüse ernährt, kann man die Welt auch nicht retten. Aber wir sollten uns mit dem Wohl der Tiere beschäftigen. In Deutschland schaut ja auch jeder Autofahrer, was er für ein Motoröl in sein Auto kippt. Aber wo das Essen herkommt, interessiert nur die Wenigsten. Da würde ich mir mehr Interesse der Menschen und mehr Transparenz der Konzerne erhoffen.
FOCUS Online: Wenn Fleisch nicht mehr industriell hergestellt wird, könnten sich viele Menschen Fleisch nicht mehr leisten…
Frodeno: Wir werfen so viel Fleisch und Lebensmittel weg. Natürlich muss man schauen, dass sich jeder Mensch Fleisch leisten kann. Aber andererseits muss man auch nicht drei Mal am Tag Fleisch essen. Die Botschaft, dass man Fleisch zum Leben braucht, ist reines Marketing. Das stammt noch aus den 1980er Jahren. Die Notwendigkeit Fleisch zu essen, ist aber wissenschaftlich überhaupt nicht mehr haltbar. Da muss ich klar sagen, wir brauchen Fleisch als tägliches Nahrungsmittel nicht. Wir sollten es als Genuss ansehen für die Menschen, die es möchten. Das ganze Industriefleisch, was viele Leute essen, ist mit Hormonen vollgepumpt und wurde unter extremen Stress für die Tiere produziert. Dementsprechend ist dieses Fleisch auch nicht gesund und vollwertig. Man muss ganz klar sagen, dass das Fleisch, welches uns im Supermarkt hinterhergeschmissen wird, die Kriterien von gutem Fleisch nicht erfüllt.
FOCUS Online: Seit wann essen Sie kein Fleisch mehr?
Frodeno: Ich esse seit vier Jahren kein Fleisch mehr. Bei mir war das damals wegen des Vorfalls mit Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov, der positiv auf Nandrolon getestet wurde und nachweisen konnte, dass es eine Verunreinigung im Fleisch gab. In der heutigen Welt weiß aber jeder, dass dir keiner im Ausdauersport so eine Nachricht abnimmt, wenn du positiv getestet wirst und sagst, dass es am Fleisch lag. Ende 2016 habe ich mich deshalb entschlossen, auf Fleisch zu verzichten, weil ich mit dem Sport mein Geld verdiene und meine Familie zu ernähren habe. Das war der einzig vertretbare Schritt, obwohl ich den Geschmack von gutem Fleisch sehr gerne habe. Nachdem ich aufgehört habe Fleisch zu essen, habe ich sofort die positiven Unterschiede feststellen können.
FOCUS Online: Was verbessert sich, wenn man kein Fleisch mehr isst?
Frodeno: Bei mir ist die Verdauung besser geworden. Nachdem ich Fleisch weggelassen habe, ist mein Magen viel robuster geworden. Gerade bei Laufeinheiten ist ein Magen schon relativ empfindlich. Aber das Wichtigste für mich war, dass ich einfach weniger Schlaf brauche, weil mein Körper viel weniger Stress mit der Fleischverdauung hat. Das ist ein extrem harter Prozess für den Magen, der sehr viel Energie einfordert, um dieses Fleisch zu zersetzen. Da fahre ich sehr gut mit Gemüse und Fisch. Ich habe weniger Durchhänger am Tag und brauche eine Stunde weniger Schlaf im Schnitt. Deshalb kann ich jeden nur dazu ermutigen, es einmal ohne Fleisch auszuprobieren.
FOCUS Online: Wie starten Sie in den Tag, was gibt's zu essen?
Frodeno: Bei mir gibt’s früh nur einen Kaffee und eine Hand voller Nüsse. Also eher einen Snack als ein richtiges Frühstück. Dann gibt es im Sommer viele Salate – auch Reis-Salate, um Kohlenhydrate zu bekommen. Meistens esse ich auch nur einmal am Tag warm. Dann kommen mediterane Sachen auf den Tisch mit Grillgemüse, Kartoffeln und Fisch. Wenn ich Zeit habe, koche ich auch gerne asiatisch mit etwas Dampf – also scharf.
July 17, 2020 at 01:47PM
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