Es ist die Zeit der Umbrüche. Auf der ganzen Welt arbeiten Unternehmen mit Hochdruck an den Lebensmitteln der Zukunft. Gerade jetzt, da die Fleischindustrie wieder einmal unter immensem öffentlichen Druck steht, sind pflanzliche Alternativen so willkommen wie nie. Eine Idee, die seit geraumer Zeit für Aufsehen sorgt: Fleischimitationen aus dem 3D-Drucker. Ist das nur Sci-Fi-Wunschdenken oder eine wirkliche Alltagsoption? Das Cleantech-Unternehmen Redefine Meat aus Israel will den Code jetzt geknackt haben und kündigt an, den Massenmarkt erobern zu wollen. Interessant ist das vor allem für alle, die den Geschmack von echtem Fleisch nicht missen wollen.
Gemeinsam mit Küchenchefs und Metzgern, Lebensmitteltechnikern und Geschmacksexperten laboriert das Unternehmen seit 2018 an der Neudefinierung von Fleisch. Die grundlegende Frage: Wie kreiert man ein pflanzliches Fleisch, das sich nicht nur so nennt, sondern dem tierischen Vorbild in Sachen Saftigkeit und Mundgefühl tatsächlich Paroli bieten kann? 70 sensorische Parameter wurden in die Arbeit einbezogen und dabei drei wesentliche Komponenten identifiziert: Muskelgewebe, Blut und Fett.
Imitiertes Rindfleisch aus dem Drucker
"Unser Produkt ist ein extrem kompliziertes Lebensmittel, bei dem Proteine, Fette, natürliche Farben und Aromen und vieles mehr genau so angeordnet sind, dass sie wie die entsprechenden Elemente im Muskel einer Kuh wirken", erklärt Mitgründer und CEO Eshchar Ben-Shitrit gegenüber "Foodnavigator". Eiweiß aus Erbsen und Sojabohnen, Fett aus Sonnenblumen und Kokosnüssen sowie weitere Bestandteile werden durch 3D-Drucktechnologie Schicht für Schicht zu einem Produkt, dass nicht nur wie Rindfleisch aussieht, sondern auch so schmecken soll.
Die Technik ist das eine, aber kauft das auch jemand? Ben-Shitrit ist bewusst, dass er es mit einem mächtigen Gegenspieler zu tun hat. "Wir arbeiten an einer neuen Form von Fleisch, dabei haben wir eine ganze Industrie, die sich seit Zehntausenden Jahren gemeinsam mit der Menschheit entwickelt hat, gegen uns", sagt er" Foodnavigator". Daher gehe es eben nicht nur um die technische Umsetzung, sondern auch darum, die kulturellen Faktoren in Sachen Fleisch einzubeziehen.

Das Alt-Fleisch aus dem 3D-Drucker imitiert Rindfleisch in Aussehen, Geschmack und Textur.
Das Alt-Fleisch, wie das Unternehmen ihre pflanzliche Imitation von Rindfleisch nennt, ist ein Kind des Zeitgeschehens. Entstanden, um die Fleischindustrie zu revolutionieren. Das vegane Fleisch aus dem Druck soll einen Kontrapunkt setzen zur Aufzucht und dem Verzehr von Tieren. Neben der Tatsache, dass dafür keine Kuh benötigt werde, könne es außerdem auch schneller hergestellt werden. Laut Aussagen des Unternehmens sei das gedruckte Fleisch zudem 95 Prozent nachhaltiger, erheblich gesünder und kostengünstiger als Rindfleisch.
3D-Fleisch-Drucker für Supermärkte
Die Fleischimitation ist keine Laborspielerei, die aufzeigt, wie wir uns in ferner Zukunft einmal ernähren könnten. Das Fleisch soll den Massenmarkt erobern - und das bald. Schon im kommenden Jahr will das Unternehmen mit der Vermarktung starten. Dann soll nicht nur das Fleisch im Handel zu erwerben sein, auch die Drucker soll es zum Kaufen geben.
Geplant ist, dass die Geräte dann direkt bei den Fleischhändlern stehen, später sogar im Supermarkt. Und auch Restaurants könnten dann ihr Fleisch je nach Bedarf in Windeseile drucken. Aktuell könne ein Gerät drei bis sechs Kilo des Fleischersatzes drucken, in Zukunft soll das um ein Vielfaches gesteigert werden. Es ist von gut 100 Kilogramm Alt-Fleisch die Rede, die die Maschinen dann im Stande sein sollen, stündlich zu drucken.
Probelauf in Top-Restaurants
Bevor es so weit ist, soll das gedruckte Fleisch in diesem Jahr zunächst auf die Teller ausgewählter Spitzen-Restaurants kommen, auch deutsche sollen darunter sein. Das Feedback von hochkarätigen Küchenchefs und Metzgern wird in das Feintuning der Rezepturen einfließen. Denn ohne den richtige Geschmack ist alle Technologie nichts, ist sich Ben-Shitrit sicher. Nur wenn das Produkt der Qualität von echtem Fleisch in nichts nachstehe, habe es eine Chance auf dem Massenmarkt Akzeptanz zu finden.
Die Alt-Fleisch-Macher aus Tel Aviv sind nicht die Einzigen, die an den fleischlosen Optionen aus dem Drucker arbeiten. Firmen wie Novameat aus Barcelona und MeaTech, ebenfalls aus Israel, arbeiten an eigenen Lösungen. Selbst die Tierfleischindustrie scheint an die Produkte zu glauben. So hat unter anderem der größte deutsche Geflügelzüchter und - verarbeiter, die PHW-Gruppe, zu der auch Wiesenhof gehört, Geld ins Start-up Redefine Meat gesteckt. Es gebe derzeit kein anderes Unternehmen, das so eine beeindruckende Entwicklung im Bereich 3D-Druckfleisch zeige, erklärte Peter Wesjohann, CEO der PHW-Gruppe, gegenüber "Fleischwirtschaft". " Wir sehen Redefine Meat als strategische Investition, insbesondere im Hinblick auf die zukünftige Produktentwicklung für den europäischen Markt."

Ist die Welt bereit für das tierfreie Steak?
Aber ist die Welt bereit für das tierfreie Steak? Immerhin jeder achte Deutsche ist dem Fleisch aus dem Drucker nicht abgeneigt. So ergab eine repräsentative Telefonumfrage des Digitalverbandes Bitkom Ende 2019, dass 13 Prozent die vegane Alternative kosten würden. 21 Prozent zeigten sich eher skeptisch, 62 Prozent wollen von dem gedruckten Fleisch absolut nichts wissen.
Auch der Preis wird eine Rolle spielen, wenn es darum geht, die Paradigmen des Fleischkonsums zu verschieben. Daher sollen die Alt-Fleisch-Produkte im Handel nicht mehr kosten als konventionelles Fleisch und damit eine echte Chance gegen die tierischen Wettbewerber bekommen. "Es gibt keinen Grund, dass pflanzenbasiertes Fleisch teurer sein muss, als Fleisch von Tieren. Es ist effizienter, benötigt weniger Energie und Ressourcen und im Prozess wird weniger Abfall produziert", sagt Ben-Shitrit zu "Foodnavigator". Er gibt an, dass das Alt-Fleisch, wenn das Unternehmen erst einmal ein Zehntel der Fleischindustrie ausmache, günstiger sein werde als tierisches Fleisch. Der Faktor "billig" sei aber nicht das Kriterium für den Erfolg des Produkts. Wichtiger sei die Qualität. "Alt-Fleisch muss schon extrem gut sein und erst später billig. Ist es billig, aber nicht extrem gut, wird es niemanden interessieren."
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Quellen: Foodnavigator, W&V, Bitkom, Fleischwirtschaft, Welt
July 07, 2020 at 09:59PM
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