Es ist ihr letztes Stück Weg. Sechs Schweine spazieren vom nahe gelegenen Stall Richtung Schlachthaus. So ist das bei den Herrmannsdorfer Landwerkstätten im Südosten Münchens. Metzgermeister Jürgen Körber lässt sie erst einmal in einen mit Stroh eingestreuten Stall. Es ist Nachmittag.
"Da ist Stroh drin, da gibt es ein bisschen was zu knabbern. Das Schwein sucht gern ein bisschen rum, ist von Haus aus neugierig und die sind so miteinander aufgewachsen in dieser Gruppe, und so kommen sie zum Schlachten. Und wir versuchen diese Ruhe beizubehalten", erklärt der Metzgermeister.
Schweine kommen möglichst stressfrei zur Schlachtbank
Möglichst sanft und würdevoll sollen sie in den Tod gebracht werden. Die Arbeitsschritte, die dafür nötig sind, werden im Prinzip auch an allen anderen Schlachthöfen durchgeführt. Zuerst müssen die Tiere ordnungsgemäß betäubt werden und dann erst setzt der Metzger das Messer an, um den Tod durch Blutaustritt herbeizuführen.
Doch hier läuft das ganz anders ab als im Großschlachthof. Nicht nur, weil es kein Band gibt, an dem die aufgehängten Tiere an Akkordarbeitern vorbeifahren, sondern weil insbesondere die Betäubung und der Umgang mit den Tieren dabei ein anderer ist. Die Herrmannsdorfer Metzger lassen die Schweine so lange es geht beieinander, es gibt keine langen Gänge, die sie Richtung Tod entlang laufen müssen.
Elektrobetäubung versus CO2-Betäubung
Die Betäubung wirkt in Sekundenbruchteilen, das Tier verliert sein Bewusstsein, so Jürgen Körber: "Das ist eine Elektrobetäubung, bei der wir das Tier fixieren können, aber nicht so fest fixieren, dass es erschreckt. Das Tier wird mit Strom an den Schläfen betäubt. Dann gibt es auch eine Stromführung zwischen Herz und Hirn, was Muskelflattern und Herzinfarkt auslöst, was, wenn man sauber trifft, zum Tod des Tieres führt."
Dagegen müssen Schweine in Industrieschlachthöfen Kohlendioxid, also CO2, einatmen. Bis sie bewusstlos sind, vergehen bis zu 20 Sekunden, in denen sie Erstickungspanik haben. Mit dieser Methode ist Jürgen Körber nicht einverstanden: "In der Industrie wird das über CO2-Betäubung gemacht, damit die Geschwindigkeit beim Schlachten gewährleistet wird. Das ist nicht schön, da kann ich mich nicht mit anfreunden. In meinen Augen ist das doch ein Leidensweg für die Tiere."
Viele Landwirte wünschen sich bessere Schlachtbedingungen
In Herrmannsdorf werden etwa 60 Schweine pro Woche geschlachtet, angeliefert werden auch Bio-Tiere von Vertragsbauern. Das Konzept der Landwerkstätten sieht vor: Bio-Landwirtschaft voranbringen, indem Öko-Bauern alternative Verarbeitungsstätten nutzen können.
"Bauern sind unter anderem wirklich Tierliebhaber, da sind welche dabei, die nehmen dann Abschied und sagen: Ich bin aber froh, dass das hier gemacht wird. Auch der Gedanke, dass aus ihren Tieren hier eine ganz besondere Qualität entsteht, ist ein positiver Faktor", ist Körber überzeugt.
Auch viele Bio-Tiere werden in Bayern konventionell geschlachtet
Trotzdem gebe es in Bayern viel zu wenige solcher alternativen Schlachtstätten, sagt Hubert Heigl, selbst Öko-Schweinelandwirt und Vorsitzender der Landesvereinigung für ökologischen Landbau in Bayern e.V. Nicht einmal die Hälfte der bayerischen Schweine wird in speziellen Bio- oder handwerklichen Schlachthöfen geschlachtet. Vielen Bauern bleibt nichts anderes übrig, als die Tiere an Großbetriebe zu liefern. Auch weil Bio vorsieht, möglichst den nächstgelegenen, möglichen Standort zu wählen. Hubert Heigl:
"Selbstverständlich sind wir auch von äußeren Bedingungen abhängig. Und wenn in Bayern zunehmend die Metzger die Schlachtung einstellen, weil sie die Schweine über Großstrukturen
günstiger in Hälften zukaufen, dann ist auch die Bio-Tierhaltung betroffen, weil der Metzger dann nicht für ein paar Bio-Tiere die Schlachtung aufrechterhält." Hubert Heigl, Öko-Schweinelandwirt und Vorsitzender der Landesvereinigung für ökologischen Landbau in Bayern e.V
Zu wenig Möglichkeiten für Bio-Schlachtung im Freistaat
Dennoch werde in der Bio-Szene viel getan, um nicht von Großschlachthöfen abhängig zu sein. So bauen immer mehr Landwirte selbst kleine Schlachtstätten, verarbeiten und vermarkten ihre Tiere ab Hof. Doch auch wenn der Bio-Fleisch-Anteil am gesamten Fleischangebot immer noch sehr gering ist, die kleinen Strukturen reichen bei weitem nicht aus. Jede Schlachtstätte, in der Bio-Tiere geschlachtet werden, muss aber bio-zertifiziert sein. Dadurch wird einerseits kontrolliert und damit gewährleistet, dass Bio-Fleisch getrennt von anderem verarbeitet wird.
Es gehe bei Bio-Zertifikaten zudem um höhere Standards im Sinne des Tierwohls, auch auf Großschlachthöfen, so Hubert Heigl: "Dass man sich Gedanken macht über Transport- und Schlachtrichtlinien und auch über die Zeitspanne ab dem Moment, da die Tiere den Hof verlassen. Damit es eine Kontrolle gibt, während sie auf dem Transport sind und auch während der Schlachtung. Die Transportdauer, die Besatzdichte in den Transportern und auch die Schlachtung, da gibt es Richtlinien, die über das gesetzliche Niveau hinausgehen. Und die werden jährlich überprüft."
Großschlachthöfe erhöhen den Anteil von Bio-Fleisch im Supermarkt
Bio-Fleisch vom Großschlachthof - dafür gibt es noch andere Gründe: Um den Öko-Landbau voranzubringen, wollte man Bio-Frischfleisch abgepackt in Supermärkte und Discounter bringen. Und das macht die Industrie mit entsprechender Zerlege- und Verpackungspraxis effizient und kostengünstig. Bauern und viele Verbraucher würden sich kleine, handwerkliche Schlachtstätten wünschen. Dass diese wieder entstehen, ist aber nicht nur abhängig von der Nachfrage nach Fleisch aus solcher Erzeugung, sondern auch Aufgabe der Politik. Denn bisher sind die Rahmenbedingungen so ausgerichtet, dass handwerkliches Schlachten im Vergleich zur Industrieschlachtung unverhältnismäßig teuer ist.
July 12, 2020 at 11:12AM
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Warum Bio-Fleisch nicht immer "bio" geschlachtet ist - BR24
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