Psyche, Stoffwechsel, Figur : 9 Fakten: Was es für Ihre Gesundheit heißt, wenn Sie auf Fleisch verzichten
Vegetarier und Veganer sind keine besseren Menschen. Aber sie sind meist schlanker und gesünder als Fleischesser. Neue wissenschaftliche Untersuchungen haben weitere Unterschiede festgestellt – sie betreffen sogar die Psyche.
Die jüngsten Nachrichten aus deutschen Schlachthöfen haben der Gemeinde der Vegetarier und Veganer mit Sicherheit neuen Zulauf beschert. Neben dem Tierwohl und ökologischen Aspekten liegt dem Fleischverzicht meist auch der Wunsch nach einer gesunden Ernährung zugrunde. Was sagt die Wissenschaft?
1. Konsens: wenig Fleisch ist okay, aber nicht wirklich nötig
150 Gramm Fleisch und Fleischprodukte isst jeder Deutsche im Durchschnitt jeden Tag. Das klingt nicht übermäßig viel, übersteigt aber die maximal 600 Gramm deutlich, welche die Deutsche Gesellschaft für Ernährung pro Woche akzeptable findet. Viele Konsumenten liegen auch deutlich darüber. Es sind diese „Viel-Fleischesser“, die in den Studien zu schädlichen Folgen des Fleischkonsums erwähnt werden.
Doch selbst bei denen, die viel Fleisch essen, gibt es Unterschiede: Denn wer viel, aber unbearbeitetes Fleisch isst, und gleichzeitig ballaststoffreich und zuckerarm, der hat ein geringes Krankheitsrisiko. Bei der Paleo-Diät ist das etwa der Fall.
Unter Experten gilt die Mittelmeer-Diät als beste Ernährungsmethode der Welt, und das schon seit zwei Jahrzehnten. 2019 wurde sie wieder einmal von „US News“ zur besten Ernährungsform des Jahres gekürt. Auf dem Teller landen dabei viel Gemüse, Fisch und Olivenöl, dafür wenig Fleisch und verarbeitete Lebensmittel.
Bei Vergleichsstudien schneiden daher auch nicht die Vegetarier und Veganer gut ab, sondern Menschen, die wenig Fleisch essen.
Spannend, aber gerade keine Zeit?
Man kann aber auch guten Gewissens mit Tilmann Kühn, Ernährungsepidemiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg sagen: „Wer vollwertig vegetarisch isst, dessen Körper fehlt nichts. Im Gegenteil, wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ist eine vegetarische Ernährung sogar sehr gesund.“ Mit einer kleinen Einschränkung: Sinnvoll sei das „weniger Fleisch“ nur dann, wenn der Kalorienvorteil nicht mit Pizza, Keksen oder Fleisch-Imitaten aufgefüllt werde.
2. Wer kein Fleisch isst, lebt auch sonst gesünder
In zahlreichen Studien wurde belegt, dass die größten Fleisch-Fans meist auch sonst keine guten Ernährungsgewohnheiten haben. Selbst wenn man den Nährwert einzelner Lebensmittel außen vor lässt, ist eine Ernährung mit viel Fleisch und Wurst sowie Zucker, Weißmehl und gesättigten Fetten aus Fertiglebensmitteln ungesund. Denn gesunde Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Vollkorn oder Nüsse kommen dann definitiv zu kurz.
3. Fleisch oder Pflanze? Ernährungsstudien sind bedingt aussagekräftig
Im Labor lässt sich feststellen, wie bestimmte Nährstoffe auf menschliche Zellen wirken. Studien mit Menschen funktionieren so nicht. Der Gesundheitsvergleich „Fleischesser versus Vegetarier“ ist nur in Beobachtungsstudien möglich. Deren Schlussfolgerungen sind nur eine Annäherung an die Realität. Zu viele Faktoren spielen für die Gesundheit eine Rolle, als dass man die Frage auf Schnitzel und Tofu reduzieren könnte. Zum Beispiel: Ist ein kettenrauchender Veganer gesünder als ein sportlicher Fleischesser?
Epidemiologische Studien können nie endgültig belegen, dass Fleischkonsum ungesund ist. Und es ist auch nicht abschließend klar, welche Inhaltsstoffe im Einzelnen der Gesundheit schaden.
4. Beim Fleisch kommt es auf die Farbe an
Rind, Schwein, Lamm oder Schaf liefern das sogenannte rote Fleisch. Es soll Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Probleme mit den Gefäßen verursachen.
Für US-Forscher Stanley Hazen von der Cleveland Clinic macht dafür ein Stoffwechselprodukt des im roten Fleisch enthaltenen Carnitins verantwortlich. Für den Nachweis ließ er 113 Probanden vier Wochen lang täglich 250 Gramm Steak essen. Nach einer zweiwöchigen Pause folgten vier Wochen mit entsprechend viel (weißem) Geflügelfleisch und zum Abschluss ein fleischfreier Monat.
Das in der Fachzeitschrift „European Heart Journal“ veröffentlichte Ergebnis zeigte während der Steak-Wochen einen deutlichen Anstieg der TMAO-Plasmakonzentration auf das 3-fache. TMAO entsteht bei der Carnitin-Verstoffwechselung und ist ein Risikomarker für Arterienverkalkung in den Gefäßen. Die Diät mit Geflügel und Gemüse führte bei den Testpersonen zu einem Rückgang der Plasmakonzentration.
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Auch an der Krebsentstehung ist rotes Fleisch direkt oder indirekt beteiligt.
So zeigten etwa Studien des DKFZ, dass bei Menschen, die viel rotes Fleisch essen, erhöhte Biomarker bestimmter Röststoffe, wie sie beim Braten und Grillen entstehen, im Blut schwimmen. Diese Menschen hatten ein erhöhtes Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken.
In der europaweiten EPIC-Großstudie wurden 519.000 Testpersonen untersucht, um den Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebserkrankungen herauszufinden.
Die Ergebnisse belegen, dass rotes Fleisch das Darmkrebsrisiko erhöhen kann. Demnach steigt das Risiko für die Erkrankung um knapp 50 Prozent, wenn der Fleischkonsum täglich 100 Gramm über der empfohlenen Menge liegt. Die gleiche Menge an Wurstwaren steigert das Risiko sogar um 70 Prozent.
Auch das Magenkrebsrisiko soll mit einem starken Fleischkonsum zusammenhängen. Bei Menschen, die mit dem Bakterium Helicobacter pylori infiziert sind, erhöht sich das Risiko sogar um das Fünffache.
Wie gesund ist der eigene Fleischkonsum? Ernährungsmedizinerin klärt auf
5. Theorie 1: Eisen macht Fleisch ungesund
Warum ausgerechnet rotes Fleisch so problematisch ist, darüber gibt es verschiedene Theorien. Die sogenannte Eisenlasthypothese stützt sich darauf, dass in rotem Fleisch eine vergleichsweise hohe Menge an Eisen enthalten ist. Dieses sogenannte Hämeisen weist eine hohe Bioverfügbarkeit auf, anders als Eisen aus pflanzlicher Nahrung, und gelangt dadurch in größeren Mengen in den Organismus.
Es wird seit Längerem vermutet, dass hohe Mengen an Eisen im Blut das Krebsrisiko steigern. Durch Studien beweisen ließ sich diese Theorie bisher allerdings nicht.
6. Theorie 2: BMMF machen Fleisch ungesund
Wissenschaftler um den Nobelpreisträger Harald zur Hausen glauben eine andere Ursache gefunden zu haben: Für das erhöhte Darmkrebsrisiko sei eine bisher unbekannte Klasse von Erregern verantwortlich.
Diese „Bovine Milk and Meat Factors (BMMF)“ gelangen durch den Konsum von Fleisch- und Milchprodukten des europäischen Rinds in den menschlichen Darm. Dort komme es zu einer chronischen Entzündung, die indirekt die Entstehung von Darmkrebs fördere.
7. Fleischverzicht schützt den Darm
Vegetarische Lebensmittel enthalten Ballaststoffe, die sich positiv auf das Mikrobiom im Darm auswirken. Veganer haben besonders viele davon. Neben Obst und Gemüse unterstützen auch milchsaure Lebensmittel wie Joghurt die Darmflora. Diese konsumieren Vegetariern oft. Forscher der University of New York haben bestätigt, dass Veganer und Vegetarier mehr schützende Arten von Darmbakterien haben als Fleischesser.
Fleisch wird auch durch die Zubereitung und Verarbeitung zum Krebsrisiko: So werden beim starken Erhitzen von Fleisch gleich mehrere potenziell schädliche Substanzen gebildet, darunter sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), durch Pökeln entstehen auch Nitrosamine. Diese Substanzen können die Entstehung von Krebserkrankungen begünstigen, vor allem erhöhen sie das Darmkrebsrisiko. Methoden wie das Pökeln und das starke Erhitzen kommen besonders bei industriell verarbeitetem Fleisch zum Einsatz, dazu zählen etwa Wurst und Schinken. Entsprechend sind verarbeitete Fleischprodukte besonders ungesund.
8. Fleischverzicht macht schlank
Forscher am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) und dem Uniklinikum Leipzig untersuchten an fast 9000 Menschen, welche Zusammenhänge es zwischen Körper und Psyche auf der eine Seite und dem Verzicht auf den Verzehr tierischer Produkte auf der anderen gibt - unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand. Die Studie erschien im Juni 2020 im Fachmagazin „Nutrients“.
Das Ergebnis der körperlichen Auswirkung: Je seltener Nahrung tierischen Ursprungs auf dem Speiseplan stand, desto geringer war im Schnitt der Body-Mass-Index (BMI) und damit das Körpergewicht. „Dick machen vor allem übermäßig fett- und zuckerreiche Produkte. Sie regen den Appetit an und zögern das Sättigungsgefühl heraus. Verzichtet man auf tierische Nahrungsmittel, nimmt man im Schnitt weniger solcher Produkte zu sich“, erklärt Evelyn Medawar, Erstautorin der Arbeit.
9. Fleischverzicht und die Psyche
In Bezug auf die psychischen Auswirkungen der fleischlosen Ernährung stellte die Leipziger Studie keine besondere Anfälligkeit für Neurosen bei Vegetariern fest. Die Studienleiterin Veronica Witte sagt: „Frühere Analysen hatten herausgefunden, dass neurotischere Menschen generell häufiger bestimmte Gruppen an Lebensmitteln weglassen. Wir fokussierten uns hier allein auf den Verzicht von tierischen Produkten und konnten keine Korrelation beobachten.“ Kein Zusammenhang war zwischen einer vorwiegend pflanzliche Ernährung und depressiven Verstimmungen festzustellen. Auch dafür gab es in früheren Studien Anzeichen.
Allerdings haben die Forscher einen Unterschied bei einem der bestimmenden Faktoren der Persönlichkeit festgestellt: der Extro- beziehungsweise Introvertiertheit. Menschen mit vorwiegend pflanzlichen Lebensmitteln auf dem Speiseplan sind introvertierter als solche, die sich vorrangig von tierischen Produkten ernährten. Eine Erklärung haben die Studienautorinnen dafür bisher nicht.
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