Wer jemals ein geöffnetes Smartphone gesehen hat, mag eine Ahnung davon haben, wie komplex diese Technologie ist. Ähnlich komplex sind aber auch die weltweiten Lieferketten, die es braucht, damit Dinge wie eben Smartphones gebaut werden können. Eingriffe wie die von US-Präsident Donald Trump haben da oftmals unbeabsichtigte Nebenwirkungen. Eine solche im Wert von acht Milliarden Dollar pro Jahr beklagt jetzt der amerikanische Chiphersteller Qualcomm. Weil man wegen der Sanktionen gegen den chinesischen Elektronikkonzern Huawei keine Chips mehr liefern dürfe, entgehe dem US-Konzern mit Sitz in San Diego, Kalifornien, ein Auftragsvolumen in dieser Höhe, beklagte Firmenchef Steve Mollenkopf vor Kurzem.
In Washington ließen Lobbyisten von Qualcomm dem Wall Street Journal zufolge eine Präsentation zirkulieren, in der davon die Rede ist, dass der Bann Huawei nicht davon abhalten werde, weiter Handys zu bauen. Statt von Qualcomm würden die nötigen Bauteile nun eben von Konkurrenten wie Samsung (Südkorea) oder Mediatek (Taiwan) bezogen. Auf Dauer, argumentiert Qualcomm, werde das die Forschung und die Führungsposition beim 5G-Mobilfunk in den USA schwächen, da Qualcomm das Geld dafür fehle.
Qualcomm hat am weltweiten Markt für Mobilgeräte-Chips einen Anteil von etwa 20 Prozent, vor allem, wenn es um die hochwertigen Smartphones geht, stecken so gut wie immer Chips von Qualcomm darin. Das liege daran, sagt Christian Block, Senior Vice President bei Qualcomm, dass sein Unternehmen die gesamte Bandbreite vom Modem bis hin zu den Antennen abdecke und dabei eine hohe Integration erreicht habe. Das führe zu reduzierter Strahlung und lasse das gesamte System auch akkuschonender arbeiten.
Durch den erwarteten Boom durch die neue fünfte Mobilfunkgeneration rechnet Qualcomm mit guten Geschäften - knapp 400 Smartphones mit 5G-Chips von Qualcomm seien gerade in der Entwicklung, sagt Block. Huawei allerdings ist bei 5G-Chips außen vor. Denn genau diese darf Qualcomm nicht an Huawei liefern.
Huawei besitzt 5G-Patente - und könnte das als Trumpf ausspielen
Die US-Regierung wirft Huawei vor, dass der chinesische Staat die Geräte des Unternehmens zur Spionage nutzen könnte. Huawei argumentiert, man sei unabhängig von der chinesischen Staatsführung. Doch das Exportverbot für Hochtechnologie trifft nicht nur Huawei, dessen Chipsparte Hisilicon tatsächlich unter den Sanktionen leidet, sondern auch die heimische Wirtschaft. Und das nicht nur, weil US-Firmen nicht liefern dürfen.
Viele Chinesen fühlen sich durch das Embargo in ihrem Nationalstolz verletzt und kaufen bewusst heimische Produkte. Für sie spielt es ohnehin keine so große Rolle, ob Huawei zum Beispiel die Google-Apps nutzen darf oder nicht - viele der Apps sind in China ohnehin verboten oder spielen wegen starker einheimischer Player keine große Rolle.
Huawei ist aber auch sonst nicht völlig wehrlos. Zum einen ist die Technologie des Konzerns in vielen Mobilnetzen weltweit bereits verbaut, allein sie in einem Land wie Großbritannien zu ersetzen, würde konservativen Schätzungen zufolge etwa 2,2 Milliarden Euro kosten. Doch Huawei besitzt auch die meisten aller 5G-Patente, 15 Prozent davon sollen solche sein, ohne die 5G nicht funktionieren würde.
Dass Patente bei einer gefragten Technologie ein überaus lukratives Geschäft sein können, weiß man auch bei Qualcomm ganz gut. Der Konzern besitzt ebenfalls viele Patente und hat seit 2017 um die 17 Milliarden Dollar damit eingenommen. Bisher verzichtet Huawei auf solche Gebühren und nutzt dafür im Gegenzug auch Patente der Konkurrenten. Es ist aber nicht auszuschließen, das Peking die Patente im Handelsstreit mit den USA als Faustpfand verwendet. Qualcomm hatte nach monatelangen Verhandlungen erst im Juli einen langen Patentstreit mit Huawei beigelegt. Die Chinesen erklärten sich dabei dazu bereit, 1,8 Milliarden Dollar an Qualcomm zu zahlen.
August 10, 2020 at 11:51PM
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Ins eigene Fleisch - Süddeutsche Zeitung
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